Sonntag, 11. Juli 2010

Grupo Misión Chile, Waka Waka und Abschiedsschmerz

Seit wir Ende April nach Arequipa umgezogen sind, ist schon wieder viel Zeit vergangen und mittlerweile haben wir uns auch in das etwas chaotische Mitarbeiterteam reingefunden, was anfangs echt schwierig war. Die ACJ (CVJM) arbeitet hier seit neun Jahren in einem Armenviertel namens "Horacio Cevallos" in einem Entwicklungsprojekt, das die dort wohnenden Familien durch verschiedene Hilfsmaßnahmen unterstützt. In der "Posta" bieten zwei Ärztinnen und eine Krankenschwester kostenlose Sprechstunden an und eine Psychologin berät Mütter und Kinder, die familiäre oder andere Probleme haben. Im "Tejido" (Strickerei) werden Kurse angeboten, die Müttern und auch Jugendlichen, Stricken (per Hand und Maschine) und andere Formen der Handarbeit beibringen, womit sich viele Frauen später ihren Unterhalt verdienen können. Das gleiche passiert in der Lehrbäckerei, die jetzt seit einiger Zeit auch richtig produziert und ihr Kuchen und ihr Brot in den umliegenden Läden verkauft. Es gibt eine Kindergruppe (ca. 50 Kinder) in der wir an der Seite der Psychologin mitarbeiten und eine Jugendgruppe, die wir eigenständig leiten. Sonst halten wir Andachten bei den Frauen in der Strickerei, passen auf ihre Kleinkinder auf, wenn sie Unterricht haben und jeden Samstag bieten wir einen Deutschkurs für alle aus dem Bezirk an.



Jugenliche der ACJ auf einem Festumzug unseres Stadtbezirks


Außerdem war ich im ersten Monat der Ersatz für den fehlenden Chauffeur und durfte deswegen meine Kolleginnen immer zu Einkäufen ins Stadtzentrum fahren. Das waren so ziemlich die schlimmsten Autofahrten meines Lebens, weil peruanische Autofahrer meistens zu viert nebeneinander auf zwei Spuren fahren, weder rechts-vor-links noch andere Vorfahrtsregeln beachten und es auch nicht für nötig halten einen Blinker zu benutzen. Aber wir haben überlebt und jetzt kann ich ziemlich entspannt wieder dem deutschen Verkehr entgegenblicken:)
Neben dem normalen Programm, kommt hier mindestens einmal pro Monat noch ein Sonderevent dazu, das ganze nennt sich dann "encuentro familiar" (Familientreffen), wo alle Familien aus Horacio in die ACJ kommen und es ein besonderes Programm gibt. Das erste dieser Treffen am Muttertag am 10. Mai war ein voller Erfolg, mit Tanzeinlagen von unseren Kindern und Jugendlichen, Spielen für Mütter und Kinder und eine große Verlosungsaktionen, mit Essenskörben als Preise.



Mamas beim "encuentro familiar" am Muttertag


Im Juni kamen dann 20 Ärzte aus Miami nach Arequipa und besetzen zwei Tage lang das gesamte Lokal der ACJ und behandelten ungefähr 700 Bewohner aus Horacio und Umgebung für einen sehr geringen Geldbetrag. Unser Job bei dieser "Campaña de Salud" war, die Leute die kamen in Listen einzutragen (was sich als unglaubliche Herausforderung entpuppte weil viele von ihnen nicht einmal selber wussten, wie sich ihre Namen schreiben und ein Großteil der Nachnamen ihren Ursprung in Quechua haben, was ungefähr so schwierig zu verstehen ist wie Chinesisch:) und Übersetzer zwischen Ärzten und Patienten zu sein, weil viele der Ärzte nur Englisch gesprochen haben. Also hieß es mein eingerostetes Englisch wieder auszupacken und den ganzen Tag Spanisch-Englisch zu dolmetschen, was mein Gehirn ziemlich gefordert hat :)
Aber auch wenn diese Tage richtig anstrengend waren, war es unglaublich cool mit erleben zu dürfen, wie viele Menschen nach 30 oder 40 Jahren endlich eine Brille bekamen und richtig sehen und lesen konnten, oder andere nach Jahren endlich mal wieder eine Zahnbehandlung bekamen.

Insgesamt macht mir die Arbeit hier richtig Spaß, vor allem weil wir merken, dass wir wirklich gebraucht werden und man uns und unsere Ideen ernst nimmt. Außerdem ist es echt erstaunlich, was das durch das Projekt in den letzten Jahren schon alles bewirkt wurde, im Gegensatz zu vielen Familien in Independencia (Armenviertel in Lima) sind die Menschen hier viel weiterentwickelt. Das merkt man besonders an ihrem sehr viel gepflegteren Aussehen, dem Umgang mit ihren Kindern und auch am Verhalten der Kinder und Jugendlichen innerhalb der Gruppen. Es ist echt beeindruckend zu sehen was man mit so einem vergleichbar kleinen Projekt in einem ganzen Stadtviertel anstellen kann.


Kinder nach ihrem Tanzauftritt

Neben unserer kontinuierlichen Arbeit in Arequipa, hatten wir im Juni dann auch noch die Möglichkeit für 10 Tage als "Grupo Misión" nach Chile zu fahren. Als Team aus vier Peruanern aus der ACJ Lima und vier deutschen Volontären, haben wir dort zwei ACJs in zwei verschiedenen chilenischen Städten (Antofagasta und Iquique) besucht. Die ersten fünf Tage waren wir auf eine Konferenz eingeladen, bei der sich verschiedene ACJs aus Chile, Argentinien und eben Peru getroffen haben um ein Dokument auszuarbeiten, das die Arbeitsgrundlagen der ACJ in Südamerika definiert und was dann nächste Woche auf der CVJM-Weltkonferenz in Hong-Kong vorgestellt wird. Es war richtig cool bei diesem Prozess dabei zu sein und auch nochmal jede Menge Leute aus den verschiedenen Ländern kennenzulernen und zu sehen das der CVJM ein Verein ist, der Leute aus der ganzen Welt zusammenbringt. Die restliche Zeit waren wir dann in den ACJs in Antofagasta und Iquique, haben in verschiedenen Schulen Kinder-und Jugendprogramm gemacht (mit dem Ziel die ACJ in der Stadt bekannt zu machen) und Workshops für die ehrenamtlichen Mitarbeiter angeboten. Alles in allem war es eine richtig bereichernde Erfahrung, gerade in der deutsch-peruanischen Gruppe hatten wir sehr viel Spaß und haben eine Menge voneinander gelernt, mal abgesehen von dem Privileg nochmal ein anderes südamerikanisches Land kennenzulernen.


Grupo Misión Chile

Und jetzt trennen mich nur noch sechs Wochen von dem großen und auch etwas unheimlichen Wort "Rückkehr" nach Deutschland. Und auch wenn ich mich schon freue wieder nachhause zu kommen und wieder Brezeln, Schweinebraten und Feta-käse zu essen;) sehe ich dem ganzen mit ziemlich gemischten Gefühlen entgegen. Peru ist im letzten Jahr zu einem richtigen zweiten Zuhause geworden und es tut schon ganz schön weh, die ganzen Menschen, die zu Familie und Freunden geworden sind, einfach so zurückzulassen. Aber alles hat seine Zeit und ich hoffe in spätestens zwei Jahren wieder in mein schönes Peru zurückkehren zu können, auch wenn es nur für ein paar Wochen zu Besuch ist.

Aber es ist cool diesen Blogeintrag mit einem "Wir sehen uns" abschließen zu können, weil jetzt dauert es wirklich nicht mehr lange, bis ich euch alle endlich mal wieder leibhaftig zu Gesicht bekomme, darauf freue ich mich schon richtig! :)

Bis dahin einen abrazooote und Gottes fetten Segen
eure Sarah